Nachruf - Herbert Rusche

Die AHF trauert und erinnert an Herbert Rusche, der am 22.12. 2024 in Frankfurt verstorben ist.
Herbert Rusche wurde am 06.05.1952 in Bad Neuenahr geboren. Seine Kindheit war durch viele Ortswechsel gekennzeichnet, die durch die berufliche Mobilität seiner Familie bedingt waren. Schon während seiner Schulzeit in Tairnbach und Wiesloch engagierte er sich in einer lokalen sozialistischen Schülerinitiative. Ab 1970 kam er in Heidelberg mit der beginnenden Schwulenbewegung in Kontakt und gründete dort zusammen mit Freunden 1972 die Emanzipationsgruppe „Homo Heidelbergensis“. 1973 war er für einige Jahre Mitglied der „Homosexuellen Aktion Westberlin“ in Berlin. 1977 zog es ihn nach Offenbach am Main, wo er zum Buddhismus konvertierte, nachdem er vorher bereits spirituelle Erfahrungen mit indischen Sekten gemacht hatte. Zusammen mit seinem Freund Holger eröffnete er in Offenbach einen Bio-Laden, ein erster Hinweis auf seine Hinwendung zum Thema Ökologie. Bald tauchte er im ebenfalls 1977 eröffneten zweiten Schwulenzentrum „Anderes Ufer“ in Frankfurt auf, immer begleitet von seinem ziemlich kräftigen, aber angenehmen Mischlingsrüden Oskar. 1978 kandidierte Herbert Rusche auf Platz 8 der frisch gegründeten „Grünen Liste Hessen“ (GLH), einen Platz hinter dem Alt-Revoluzzer Daniel Cohn-Bendit. Die junge Partei schaffte es aber bei den Landtagswahlen mit 1,1 % nicht in den Landtag. Als Mitglied einer Selbsterfahrungsgruppe aus dem Umfeld des „Anderen Ufers“ fuhr er im Sommer 1980 mit einigen Anderen nach Amsterdam, wo sie an einem internationalen Treffen der niederländischen Homo-Organisation COC teilnahmen, was sein Interesse an persönlicher Emanzipation dokumentiert. Erst bei der Bundestagswahl 1983 bekam die damalige Grüne Partei genügend Stimmen, um in den Bundestag einzuziehen. Als Nachrücker für den späteren Außenminister Joschka Fischer, hielt er am 12.12.1985 als erster offen schwuler Bundestagsabgeordneter seine Antrittsrede, begleitet von höhnischen Gelächter aus den Reihen der CDU. Mit vielen Anfragen und Anträgen für die finanzielle Unterstützung von AIDS-Foschung brachte er als erster Bundestagsabgeordneter das Thema AIDS in die Bonner Politik ein. Nach seiner Zeit im Bundestag arbeitete Rusche bei verschiedenen AIDS-Hilfeorganisationen und von 1988 bis 1991 in der Homosexuellen Selbsthilfe mit. Zusammen mit Petra Kelly brachte er 1986 eine Kleine Anfrage zur Menschenrechtssituation in Tibet ein. 2001 trat er wegen der Haltung von „Bündnis 90/Die Grünen“ zum militärischen Eingreifen von Amerikanern und Europäern im Kosovokonflikt aus der Partei aus. 2009 trat er in die „Piratenpartei“ ein, die sich für die Garantie von Privatsphäre im Internetzeitalter einsetzte. Von 2008-2011 war er Mitglied des Rates der Deutschen Buddhistischen Union (DBU). Den DBUKongress „Buddha, Sex und Leidenschaft – Liebe und Verantwortung im Buddhismus“ 2011 in München hat er mit vorbereitet. Wiederholt hat er als einer der drei Vertreter der „Buddhistischen Gemeinschaft“ den Dalai Lama auf seinen Reisen in Deutschland begleitet. Auf seiner Webseite herbertrusche.de findet sich sein spirituelles Bekenntnis: keine Lebewesen zu töten, Nichtgegebenes nicht zu nehmen, keine unheilsamen sexuellen Handlungen zu begehen, nicht unwahr oder unheilsam zu reden, sich nicht durch berauschende Mittel das Bewusstsein zu trüben.
Nach einem Schlaganfall lebte er seit einigen Jahren halb gelähmt und weitestgehend seiner Sprachfähigkeit beraubt im Seniorenheim der Henry- und Emma-Budge-Stiftung, wo er am 22.12.2024 am Fuße des Lohrbergs in Frankfurt Seckbach gestorben ist.
Hans-Peter Hoogen
Bernhard Schyma
Michael Holy
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