AIDS-Memorial
Im April 1994 waren in Deutschland mehr als 60.000 Menschen mit HIV infiziert. Allein in Frankfurt waren zu diesem Zeitpunkt 538 Männer und Frauen an den Folgen von AIDS gestorben. Die Stadt am Main führte damals wie heute zusammen mit Berlin die Statistik an. Mit dem Auftreten von AIDS änderte sich damals ein ganzes Lebensgefühl: Sex, Krankheit und Tod wurden plötzlich in einem Atemzug genannt. Und leider bedeutete genau das oft auch Abschiednehmen. Doch an welchem Ort? In Frankfurt finden sich zahlreiche Kirchen und Friedhöfe, und für manch einen waren diese Orte auch ausreichend. Für viele galt dies aber nicht, gleich ob nun Schwule, Lesben, Drogengebraucher, Stricher, Prostituierte oder schlicht Menschen mit HIV und AIDS.
Viele von denen, die an AIDS gestorben sind, werden und wurden in der Nähe ihrer Familien bestattet, andere landeten in Armengräbern. Trauernde hätten dann ein Tagespensum vor sich, um alle Gräber der Freunde und Bekannten aufzusuchen. Es war und ist also notwendig, Orte zu schaffen, an denen wir uns mit unserer Trauer richtig aufgehoben fühlen. Dies war 1994 der Ausgangspunkt für das Projekt „AIDS-Memorial“, angestoßen unter anderem von Rüdiger Anhalt und weitere Mitstreiter von ACT UP, so wie Stefan Majer, damals noch von der AIDS-Hilfe Frankfurt: Es sollte also ein neuer Ort der Trauer entstehen, der vor allem szenenah ist – der Peterskirchhof schien ideal und Ortsbeirat, Pfarrei, Amt für Denkmalschutz und Gartenbauamt stimmten dem Projekt zu.
Gestaltet wurde der Platz nach dem Entwurf „Verletzte Liebe“ von Tom Fecht. Die Umsetzung des Konzepts gelang damals, weil der notwendige Betrag von 17.000 Mark komplett aus Spenden der Öffentlichkeit, insbesondere der schwulen Szene, zusammengetragen werden konnte.
Das Memorial besteht aus den Elementen Schrift und Nägel. Der Schriftzug „Verletzte Liebe“ wurde in goldenen Lettern in die Sandsteinmauer des Kirchhofes eingelassen und wird an anderer Stelle nochmals mit der Widmung „a l’amour blesse 1994“ aufgenommen. Weiter wurden und werden für jeden in Frankfurt an AIDS verstorbenen Menschen Nägel in die Wand eingelassen. Die Nägel sind bewusst nicht spezifisch gekennzeichnet. Nach Fecht steht „jeder Nagel auch für den Tod der anonymen Opfer und Verletzungen, die sich mit jeder neuen Erkrankung verbinden: Einsamkeit, Diskriminierung, Angst, Verlust an Vertrauen, Verlust von Freunden.“
Neben ihrer symbolisch-inhaltlichen Funktion (die Nägel nehmen das religiöse Motiv der Kreuzigung auf, die Entehrung durch eine quälende Hinrichtung war immer auch das Todesurteil für Menschen anderer Überzeugung, anderen Glaubens, anderer Gesinnung und Lebensführung), haben die Nägel auch eine praktische Funktion, so z.B. bei Aktionen und Gedenkveranstaltungen zur Befestigung von persönlichen Erinnerungsstücken, Blumen, Transparenten usw.
Alljährlich am Welt-AIDS-Tag, wenn der Trauermarsch durch die Frankfurter Innenstadt am Memorial endet und dort die Namen der Toten des vergangenen Jahres vorgelesen werden, werden symbolisch drei weitere Nägel in die Mauer geschlagen. Das Gedenken an die Toten lebt an diesem Abend durch rote Rosen zusätzlich auf.
AHF – AIDS-Hilfe Frankfurt e. V.
Teilen auf